Bürgerversicherung ist eine verschleierte Reichensteuer

Negative Erfahrungen mit dem litauischen Modell

Mönchengladbach / Vilnius / Berlin, 14. Dezember 2017. Martin Schulz und die SPD machen in den Gesprächen mit der CDU/CSU die Bürgerversicherung zum Knackpunkt für eine Zusammenarbeit. Eine Deutsche aus Mönchengladbach, die 1994 aus Litauen in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt ist, hat mit der liauischen Bürgerversicherung negative Erfahrungen gemacht.

Angefangen hat es 1994 mit dem Aufnahmebescheid für Spätaussiedler des Bundesverwaltungsamtes Köln. Der Aufnahmebescheid war Grundlage für das Einreisevisum in die Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesverwaltungsamt wies aber darauf hin, man solle aufgrund des Aufnahmebescheides nicht alle Brücken im Aussiedlungsgebiet abbrechen, vor allem nicht die Wohnung verkaufen. Denn über das endgültige Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland entschied nicht das Bundesverwaltungsamt, sondern die zuständige Kommunalverwaltung. Kurz vor der Ausreise hat die Spätaussiedlerin in Klaipeda (Memel) eine Firma angemeldet. Import Export. Wenn sie in Deutschland nicht bleiben könne und nach Litauen zurückkehren müsse wollte sie selbständig arbeiten, weil sie wegen der Ausreise ihre Arbeitsstelle aufgeben musste.

Die Voraussetzungen für das Bleiberecht in Deutschland waren erfüllt. Sie erhielt eine Einbürgerungsurkunde und war fortan Deutsche. Nach der Verfassung der Republik Litauen konnte sie keine Litauerin mehr sein. Es war also nicht notwendig gewesen, die Firma in Litauen anzumelden. Mehrmals hat sie versucht, die Firma wieder abzumelden. Ohne Erfolg. Nur ein Rechtsanwalt kann in Litauen eine Firma abmelden. An das Finanzamt in Klaipeda wurden immer wieder Steuererklärungen geschickt, dass die Firma keine Umsätze und keine Gewinne macht. Irgendwann war das nicht mehr notwendig. Die Firma geriet in Vergessenheit.

In Litauen gibt es die Bürgerversicherung, eine Pflichtversicherung für alle, also auch für Unternehmer mit dem Kurznahmen SODRA. Die Deutsche war inzwischen Altersrentnerin geworden und hatte über die Deutsche Rentenversicherung (DRV) bei der SODRA eine Altersrente beantragt. Sie erhielt aus Litauen eine Einmalzahlung als Altersrente von etwas mehr als 600 Euro. Wie die Rente berechnet worden war, weiß die Rentnerin bis heute nicht.

Ein litauischer Bekannter kümmerte sich um die Wohnung der Deutschen in Litauen. Angeblich bekam er keine Miete. Im November 2016 erhielt die Deutsche von diesem Bekannten die Mitteilung, dass ihre Wohnung von einer Insolvenzverwalterin aus Kaunas zum Zweck der Zwangsversteigerung beschlagnahmt worden war. Die SODRA hatte die Deutsche rückwirkend in der Bürgerversicherung versichert und beanspruchte die Zahlung der rückständigen Versicherungsbeiträge. Die Deutsche beauftragte einen litauischen Rechtsanwalt, um die Forderung der SODRA gerichtlich zu bestreiten. Dass die Deutsche von Anfang an mit der Firma keinen Umsatz und keinen Gewinn gehabt hatte, war dem Richter am Bezirksgericht Klaipeda egal. Allein die Tatsache, dass die Deutsche in öffentlichen Verzeichnissen als Unternehmerin geführt worden war, reichte für die Bürgerversicherung. Die Unternehmereigenschaft der Deutschen wurde beendet, als ihre Firma wegen der Beitragsforderung der SODRA gerichtlich als insolvent erklärt wurde. Einen Bescheid über die Beitragsforderung hat die Deutsche von der SODRA nie erhalten und konnte sich darum gegen die Beschlagnahme ihrer Wohnung nicht wehren. Vor dem Bezirksgericht ging es immer nur um die Forderung der SODRA, der Deutschen wurde aber nie in Aussicht gestellt, dass sie Leistungen von der SODRA erhalten werde. Immerhin ist die Deutsche Altersrentnerin.

Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite ist über den Vorgang informiert und geht davon aus, dass alles dem geltenden litauischen Recht entspricht. Die Aktenzeichen der SODRA sind 47404051234 und 45108070454.

Die Deutsche hat am 14. Dezember 2017 an die SODRA für die rückwirkende Krankenversicherung 500,46 Euro und für die rückwirkende Rentenversicherung 4409,17 Euro überwiesen, das entspricht etwa dem durchschnittlichen Jahreseinkommen eines Arbeitnehmers in Litauen.

Einige Bekannt der Deutschen bezweifeln, dass es bei der SODRA mit rechten Dingen zugegangen ist. Sie halten das Ganze für eine Inszenierung, um der Deutschen ihre Wohnung in Litauen abzujagen. Dieser Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen. Tatsache ist, in Litauen ist es unerwünscht, dass Deutsche Eigentümer von Grund und Boden sind. Zur Zeit der Sowjetunion hatte die Sozialistische Sowjetrepublik Litauen Grund und Boden auch der Deutschen enteignet und sozialisiert. Nachdem aus der Sozialistischen Sowjetrepublik Litauen die Republik Litauen geworden und Privateigentum wieder möglich war, hätte die Republik Litauen Grund und Boden an die Deutschen zurückgeben können. Die Republik Litauen gab Grund und Boden nur dann an die Deutschen zurück, wenn sie die litauische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Wer die litauische Staatsangehörigkeit nicht annahm, fiel unter das litauische Erbrecht. Im litauischen Erbrecht steht der Staat an letzter Stelle in der gesetzlichen Erbfolge. Grund und Boden der Deutschen fielen so an den litauischen Staat. Enteignung so oder so, mit oder ohne Kommunismus.

Vor der Bundestagswahl 2017 brachte die SPD eine Reichensteuer ins Gespräch. Das kam bei den Wählern offenbar nicht an. Nun liebäugelt die SPD mit der Bürgerversicherung, einer verschleierten Reichensteuer. Denn über Versicherungsleistungen aus der Bürgerversicherung hat die SPD noch nie gesprochen. Es wird immer nur argumentiert, dass auch Unternehmer sich stärker als bisher an den Kosten der gesetzlichen Sozialversicherung beteiligen sollen. Bürgerversicherung als Abzocke der Unternehmer.

Autor: Wilhelm Klumbies